Berufsbilder

Orchestermusiker

Simon Steidl // Grazer Philharmoniker

Simon Steidl
© Peter Purgar

Was macht man als Orchestermusiker_in?

Im Großen und Ganzen: vorbereiten, interpretieren, kommunizieren, musizieren, genießen. Ich schaue mir das Programm des Konzertes oder der nächsten Oper an, die wir spielen werden, und gehe dann ins Archiv, um mir meine Noten zu holen, um mir zu Hause ein Bild zu verschaffen und meine Stimme einzurichten. Anschließend trifft sich das Orchester zu den ersten Proben und wir erarbeiten das Programm mit einer Dirigentin oder einem Dirigenten. Dieser Kreislauf beginnt in einer Saison mehrere Male wieder von vorne und es laufen oft einige Konzertprogramme und Produktionen parallel nebeneinander. Dadurch, dass sich der Spielplan jedes Jahr ändert, bleibt es immer abwechslungsreich und spannend und man lernt ungemein viele Werke kennen.

Im Laufe eines Jahres kontrolliere ich immer wieder, ob noch alle Schlägel funktionsfähig sind und ob alle Pauken einwandfrei funktionieren. Besonders die Ziegenfelle unserer Pauken sind, wenn sie viel bespielt werden, einmal jährlich zu wechseln. Im Eifer des Gefechts kann es auch einmal passieren, dass ein Fell während des Konzertes reißt, dann heißt es weiterspielen und lächeln.

 

Wie wird man Orchestermusiker_in?

Im Grunde genommen bewirbt man sich zuerst wie bei jedem anderen Job. Man schickt seine Bewerbung ab und wird im Optimalfall zum Vorspielen, zum sogenannten Probespiel, eingeladen. An diesem Tag treffen alle ausgewählten Bewerberinnen und Bewerber aufeinander und treten Runde für Runde gegeneinander an, bis nur noch eine Person übrigbleibt, die dann die Stelle antreten darf. Manchmal wird das Probespiel auch abgebrochen, wenn keine Kandidatin bzw. kein Kandidat den Vorstellungen des Orchesters entspricht. Die Jury, die meist aus Chefdirigentin bzw. Chefdirigent, Konzertmeisterin bzw. Konzertmeister und diversen Orchestermusikerinnen und -musikern besteht, beurteilt die erbrachte Leistung der Kandidatinnen und Kandidaten, und vergibt nach jeder Runde Punkte. Das Vorspielen findet meistens hinter einem Vorhang statt, so dass die Jury die Vorspielenden nicht erkennt und es so fair wie möglich vonstatten geht. Gewinnt man das Probespiel, hat man sich nach einem anstrengenden Tag meist gegen mehrere Mitstreiterinnen und Mitstreiter durchgesetzt, und beginnt anschließend das Probejahr im Orchester.

 

Welche Fähigkeiten braucht man dafür?

Neben den musikalischen und technischen Fertigkeiten gibt es gewisse Charaktereigenschaften, die angehende Orchestermusiker und -musikerinnen meiner Meinung nach mitbringen sollen: Fleiß, Leidenschaft, Nervenstärke, Ausgeglichenheit, Cleverness, Mut, Ecken & Kanten, Ausstrahlung und die Fähigkeit, Leute in den Bann zu ziehen.

 

Warum haben Sie sich entschieden Orchestermusiker zu werden?

Da ich in einer musikalischen Familie groß geworden bin, in der viel gesungen wurde und dank meines Opas auch im Auto lautstark OE1 gehört wurde, war Musik für mich schon immer da. Früh war mir klar, dass ich Musiker werden will und ich konnte dank meiner Eltern, die mich immer unterstützt haben, meinem Hobby intensiv nachgehen. Nachdem ich bei den Salzburger Festspielen unzählige Orchester spielen gehört habe, kam der definitive Entschluss: ,,Das will ich auch!" ,,Ich will unbedingt ins Orchester!" Die fragilen Klänge auf der einen, und die enorme Wucht auf der anderen Seite, die von einem Orchester ausgehen können, faszinierten mich und heute macht es mich umso glücklicher, dass ich bei den Grazer Philharmonikern diese Klänge mitgestalten und erleben darf.

 

Was macht Ihnen dabei am meisten Spaß?

Der Spaß fängt für mich schon zu Hause an, wenn ich mich mit den Werken auseinandersetze und beginne, mir ein Bild zu verschaffen, und mir meine Noten Schritt für Schritt einrichte. Für mich als Pauker ist sehr wichtig zu wissen, wann ich mit wem zusammenspiele und was inhaltlich gerade passiert, um so meine Spielart anzupassen und in der Aufführung gut zu performen. Weiters gefällt mir die große Bandbreite unseres Hauses und des Orchesters. Wir spielen von Musical über Operette, Ballettabende, Oper aller Gattungen bis hin zur sinfonischen und modernen Literatur alles. Die unvergesslichen Momente, die man als Musiker bei Vorstellungen und Konzerten erlebt und vor allem auch, dass ich jeden Tag mit tollen Kollegeninnen und Kollegen musizieren kann, bereitet mir große Freude.

 

Was sind die größten Herausforderungen?

Über die vielen Jahre als Orchestermusikerin bzw. -musiker körperlich und mental fit zu bleiben und sich die Fähigkeit anzueignen, stilistisch flexibel und offen zu sein, um sich schnell auf unterschiedliche Musik sowie Dirigentinnen bzw. Dirigenten einzustellen.

 

Welchen Tipp haben Sie für angehende Orchestermusiker_innen?

Jeder Studentin bzw. jedem Studenten rate ich, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, zu beobachten, zu erkennen und daraus zu lernen. Es ist ungemein wichtig, sich eine eigene musikalische Meinung zu bilden und sich nicht nur als Musikerin bzw. Musiker, sondern vielmehr als Mensch weiterzuentwickeln. Denn es geht immer um die Geschichte, die man mit einem Stück erzählt, und umso mehr Erlebnisse man selbst gesammelt hat, desto spannender kann man ein Werk interpretieren. Weiters empfehle ich einen gesunden Abstand zum Instrument, in die Natur zu gehen, um Kraft zu tanken, und viel zu singen, vor allem wenn man Instrumente spielt, die wie viele Schlaginstrumente weit von der Natürlichkeit der menschlichen Stimme entfernt sind. Trainiert nicht nur den Körper, sondern vielmehr euren Geist und investiert alles Erdenkliche, wenn ihr ein Ziel vor Augen habt und dieses erreichen wollt.


Simon Steidl: geb. 1993, 2011 Matura am BORG Lienz, 2011- 2012 Militärmusik Kärnten, seit 2012 Konzertfach und IGP Studium an der KUG bei Frau Priv. Doz. art Ulrike Stadler, seit 2012 Substitutentätigkeiten in unterschiedlichen Orchestern, seit 2015 1. Pauker an der Oper Graz - Grazer Philharmoniker, seit 2020: Mitglied bei Louie's Cage Percussion

Stand: Juli 2020